Zirkuläre Wirtschaft – Allgäuer Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft.

Freiraum-Tagung der Allgäu GmbH und Allgäu Digital: erfolgreiche Allgäuer Unternehmen zeigen wie Circular Economy geht. Bewusstseinswandel gefordert.

Weg von der Wegwerfwirtschaft: Die Allgäu GmbH und Allgäu Digital thematisieren bei der diesjährigen Freiraum-Tagung ein hochaktuelles Thema: Circular Economy. Wirtschaftsgüter werden nachhaltig produziert, Ressourcen zirkulieren in einem Kreislauf und letztlich soll ein verändertes Konsumverhalten das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Der damit verbundene Bewusstseinswandel im Produktdesign und in der Herstellung führt zu Innovationen und erfolgreichen Geschäftsmodellen. Doch wie sich im Laufe der Diskussion herausstellt, ist der Bewusstseinswandel noch zu wenig in der Gesellschaft angekommen. Dennoch zeigen die Unternehmen auf, dass langfristig nur ein zirkulärer Wirtschaftskreislauf zukunftsfähig ist. Neue Produkte müssen mit deutlich weniger Rohstoff-, Schadstoff- und Energieeinsatz hergestellt werden und reparaturfähig sein. „Circular Economy wird im Allgäu bereits praktiziert. Die FreiraumTagung setzt Impulse und vernetzt: Unternehmen haben Lösungsansätze, die auch für  Kommunen und Landkreise gewinnbringend sind. Wir sind uns sicher, dass wir gemeinsam handelnd viel bewirken können“, fasst Klaus Fischer, Geschäftsführer der Allgäu GmbH, zusammen.

Kreislaufwirtschaft aus dem Allgäu: neue Ideen und Verantwortung für die Zukunft
Wie sich der Wandel im Bereich Abfallwirtschaft  vollzieht, erläutert eindrucksvoll Andreas Breuer, Geschäftsführer der ZAK Abfallwirtschaft GmbH, Kempten. Vor 50 Jahren wurde das Müllheizkraftwerk gebaut, um wilde Deponien zu beenden und Abfall ordnungsgemäß zu entsorgen. Wertstoffhöfe sind hinzugekommen. Darüber hinaus hat der ZAK mit seiner neu geschaffenen ReUse Abteilung Plattformen geschaffen für die Wiederverwendung: Repair-Cafés, Kaufhäuser und eine digitale Plattform, auf der getauscht, verkauft, verliehen oder verschenkt werden kann. Mit dem Projekt MARLENE (Maßnahmen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen durch Netzwerkbildung) werden Lebensmittelabfälle deutlich reduziert. 
Nur 12 Prozent der Rohstoffe bleiben derzeit im Kreislauf
Breuer berichtet, dass die im Kreislauf verbleibende Menge an Rohstoffen bundesweit nur bei 12 Prozent liegt. Ein Grund seien Verbundstoffe, die sich letztlich nur thermisch verwerten ließen und Produkte, die sich nicht reparieren lassen. Politsche Rahmenbedingungen könne die Quote erhöhen, sagt Breuer. Circular Economy ändere nicht nur die heute gängige Wirtschaftsform, sondern auch das Bewusstsein, beschleunigt durch die aktuellen Krisen. Die Menschen seien sensibler geworden und offen für ein neues Wirtschaftsmodell, weg vom Besitzen hin zum Teilen.
Fläche, eine begrenzte Ressource und wie man sie mehrfach nutzt
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Geiger Unternehmensgruppe mit Sitz in Oberstdorf mit Kreislaufwirtschaft. Sie gilt nicht nur im Bereich von Rohstoffen und Recycling, sondern auch bei Flächen. Felix Fürgut, Leiter Ressourcen, Flächen und Liegenschaftsmanagement, erläutert, wie die Firma Geiger Flächen neu denkt. Schon vor einem möglichen Abbau wird bewertet, welche wertvolle Fläche nach der Nutzung entstehen soll. So kann beispielsweise auch auf einer Deponie gebaut werden, wenn sie entsprechend verfüllt wird. Da die Geiger-Gruppe über entsprechende Expertise von Recycling verfügt, war es ihr auch möglich, auf einer jahrzehntealten Industrie-Brachfläche Wohnraum für 500 Menschen zu bauen. Es werden, so Fürgut, keine Flächen verbraucht, sondern mehrfach genutzt. Eine vorausschauende Standortpolitik zahle sich für Gemeinden aus. Neben der Deckung an Rohstoffbedarf kann eine Fläche in die Zukunft gedacht werden. Je nachdem ob ein Wohngebiet, eine Agrarfläche oder ein Standort für PV-Anlagen entstehen soll.
Altbauten zu Baustoffen: Wertstoffe in den Kreislauf bringen
Aus Berlin zugeschaltet berichtet Sean Nolan, Business Development bei Concular. Das Startup hat sich auf die Wiederverwendung von Baustoffen spezialisiert. Derzeit werden weltweit nur ein Prozent der Baustoffe wiederverwendet und das obwohl die Bauwirtschaft mit 60 Prozent den höchsten CO2-Ausstoß erzeugt. Hier setzt Concular mit einer digitalen Börse an: Dafür werden zunächst Objekte begutachtet und Material- sowie Produktpässe erstellt. Die Materialen werden in einem digitalen Lager erfasst. Aus diesen Daten wird ein Angebot errechnet und wiedergewonnene Baustoffe beispielsweise an Architekturbüros vermittelt. Aus der digitalen Plattform haben sich in Berlin und Darmstadt lokale Baumärkte mit wiedergewonnenen Baumaterialien entwickelt.  Nolan betont, dass Concular stets die Bilanzierung offenlegt. Denn sie zeigt deutlich, dass nicht nur Tonnen an CO2 und Ressourcen eingespart werden, sondern sich die Wiederverwertung von Baustoffen wirtschaftlich rechnet.
Gemüsereste: zu schade für die Tonne, stattdessen neue Produkte.
Wie ein Startup erfolgreich Gemüsereste verwertet und neue, gesunde Lebensmittel schafft, schildert Matthias Rother, Geschäftsführer von Beetgold GmbH in Heimenkirch. Die Firma produziert aus dem Trester, den übrig geblieben Resten nach dem Pressen von Säften, Wraps für Tortillas oder Pizzaböden.  Denn das wertvolle Konzentrat an vitamin- und ballaststoffreichen Feststoffen ist zu schade für die Tonne. Beetgold hat getüftelt, wie man den Trester haltbar und in Form bringen kann. Auch die Verpackung wurde von Anfang an mitgedacht: Alles ist voll recyclebar – vom Kunststoff aus Pflanzenbasis bis zum unlackierten Papier. „Viele meinen, Abfall muss eigentlich verschenkt werden. Aber so ist es nicht: Forschung zur Konsistenz oder zur Haltbarkeit, um den Trester das ganze Jahr über zur Verfügung zu haben, sowie höhere Qualitätsansprüche sind nur ein paar der Investitionen“, sagt Rother und ist überzeugt, dass Trester ein normales Lebensmittel wird. Denn die neuen Vollgemüse Produkte helfen auch dabei, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Beetgold wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
Bewusstseinsbildung in Schulen verankern, Startups stehen für Wandel.
In der anschließenden Diskussion sind sich alle einig: Jeder Einzelne muss sein Handeln überprüfen und bei sich selbst anfangen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für die zirkuläre Wirtschaft schaffen und schon in den Schulen muss das Bewusstsein geschärft werden. Das Netzwerken ist zudem ein wichtiger Aspekt: Gute Ideen in Kommunen oder Unternehmen können übertragen werden. Und wie Antonia Widmer von Allgäu Digital es formuliert: „Wenn der Prozentsatz an Gründungen steigt, gibt es den Wunsch zum Wandel.“ Die geladenen Startups führen den Beweis.