Mächtig mitreißend: Guggenmusik im Allgäu

Achtung, jetzt wird’s schräg: In der Fastnacht ziehen im Allgäu die Guggenmusiken durch die Gassen. Die Kapellen mit den üppigen, bunten Kostümen, den riesigen Bässen und den gewaltigen Schlagwerk-Wägen sorgen auch in Isny im Allgäu für ein pompöses Getöse.

Wer Guggenmusik nicht kennt, dem hilft Wikipedia: Hier steht, es handle sich um „eine stark rhythmisch unterlegte, auf ihre eigene, sehr spezifische Art falsch oder schräg gespielte Blasmusik.“ Falsche Töne? „Das stimmt so nicht“, widerspricht Josef Hodrus aus Isny im Allgäu der Wissensplattform. Der Trompeter dirigierte knapp 18 Jahre lang eine der ältesten Guggenmusik im Westallgäu und arrangierte die Stücke für die Kapelle.

Extrem viel Rhythmus, mitten im Publikum

„Die Musiker spielen nicht falsch. Sie reizen nur den individuellen Spielraum aus“, erklärt Josef Hodrus fachmännisch. „Guggenmusiker spielen kein Konzert. Keine Stücke, die sich an streng arrangierte Noten halten. Hier hat jeder die Möglichkeit, sich maximal zu entfalten. Alles aus seinem Instrument herauszuholen.“ Die Energie würde dabei vor allem durch die Rückmeldung aus dem Publikum entstehen.
Geprägt von extrem viel Rhythmus spielen die knapp 50 Musikanten auch in dieser Saison wieder eine Mischung mitreißender Titel aus Pop, Rock, Hip-Hop, Reggae, Filmmusik und sogar Techno. „Bei der Guggenmusik werden die Stimmen Bass, Posaune, Trompete und Schlagwerk neu arrangiert.“ So entstehen ungewöhnliche Cover-Songs. Nur der „Gugga-Blues“ sei komplett selbst komponiert – aus einer Laune heraus mit einem Solo für jedes Blasinstrument.
Bei diesem Stück stehen die Musiker oft mitten im Publikum auf den Tischen oder suchen sich andere ungewöhnliche Orte. So schwappt die Begeisterung für die voluminösen Töne über mehrere Ebenen auf das Publikum über: „Man hört, spürt und sieht die Botschaft. Das ist nonverbale Kommunikation und eine multisensorische Erfahrung. Nicht zu vergleichen mit Musik von einer CD“, erklärt der Hirnforscher Prof. Lutz Jäncke von der Universität in Zürich. Der gebürtige Rheinländer ist zwar selbst kein echter Fan, schätzt aber die schillernd „bunten Farbkleckse“, die die Guggenmusiken in den Umzügen darstellen. „Bei so extremen Rhythmen hört der Mensch das Denken auf und automotorische Bewegung setzt ein.“ 

Josef Hodrus weiß genau, was der Wissenschaftler meint: „Guggenmusik kann man nicht gut erklären, das muss man erleben: Das bunte Kostüm, die schnellen Schlagwerke auf Rädern, die Bässe mit ihren großen, nach vorne ausgerichteten Trichtern – das funktioniert nur live.“ Aufgrund dieser Faktoren sind sich die Musikforscher einig: Guggenmusik passt in keine Schublade. Manche sprechen sogar von einer ganz unabhängigen Musikgattung.

Schweizer Ursprung

Der Ursprung des Musikstils liegt in der Schweiz und ist heute dort und in der schwäbisch-alemannischen Fasnet verbreitet: Mitte des 19. Jahrhunderts zogen in Basel „improvisierte Musiken“, sogenannte „Katzenmusiken“ durch die Stadt. Die erste Kapelle unter dem Begriff „Guggenmusik“ ist bereits 1906 erwähnt: Es sei eine Musik, die „Steine erweichen, Menschen rasend machen kann.“

Einen richtigen Boom erlebten die Fastnachtskapellen nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute gibt es Schätzungen zufolge rund 800 Guggen-Gruppen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Frankreich, Belgien, Holland und in Tschechien.  

Jeder einzelne Auftritt sei echter „Hochleistungssport“ für jeden Musiker, erzählt Josef Hodrus aus jahrelanger Erfahrung. „Da musst du richtig pressen. Du bewegst dich. Die Masse geht mit. Das ist Adrenalin pur.“ Über den musikalischen Leiter im Vordergrund gehe die ganze Energie der Gruppe von der Bühne auf das Publikum über.

INFO:
Wer die Guggenmusik persönlich kennenlernen und erleben will, ist bei der Baizentour richtig: Am Freitag, 17. Februar 2023, zieht die bunte Gruppe ab 18:30 Uhr in Isny im Allgäu von Wirtschaft zu Wirtschaft und spielt dazwischen in den Gassen. Alle weiteren Termine finden sich unter: https://www.guggenmusik-isny.de/  

Seit 25 Jahren gibt es schon die Stadtbachhexen Memmingen. Sie feiern am 13. und 14.01.2023 ihren Geburtstag mit einem Guggen-Sternmarsch und abschließenden Monsterkonzert mit 200 Musikerinnen und Musikern. https://www.stadtbachhexen.de
Samstag, der 14.01.2023 beginnt mit der Narrenmesse um 10:00 Uhr und endet mit dem Dämmerungsumzug durch Memmingen um 16:00 Uhr.

Text von Redakteurin Stefanie Böck für die Isny Marketing GmbH.