Das Vermächtnis der Heimhubers

Eines der größten Fotoarchive der Welt über historische Alpinismus- und Landschaftsfotografie

Lena Heimhuber trägt ein Bild aus dem Archiv für den gemeinsamen Termin nach oben. Es ist eine Fotografie von der ersten dokumentierten Skitour im Allgäu: einer Skitour aufs Himmeleck. Sie erzählt: „Damals waren Fritz und Eugen senior Heimhuber, die zweite Generation Heimhuber-Fotografen, mit Herrn Madlener und Doktor Max Müller aus Kempten unterwegs. Alle vier waren Skipioniere aus dem Allgäu und so haben sie auch zusammengefunden.“

1897: Vom Skifahren zum Fotografen
Zum Skifahren ist Fritz Heimhuber etwa 1897 gekommen. „Er hat ein Buch über den Skisport von Fridtjof Nansen entdeckt und hat dann angefangen anhand dieses Buches sich selber Skier zu bauen: Marke Eigenkonstruktion. Weil aber keine Abbildung von der Unterseite zu sehen war, hat er auch nicht die Rillen in den Belag eingeritzt, was ein Abfahren erleichtert hätte“, erzählt Lena Heimhuber. „Am Kalvarienberg hat er angefangen Ski zu fahren. Er hat sich mit Seilen die Skier festgebunden. Fritz Heimhuber war der Erste, der das gemacht hat. Und er als Skipionier wurde dafür ausgelacht. Die Menschen die ihn sahen beschimpften ihn sogar als Verrückten und Deppen. Aber er hat nicht aufgegeben und hat geübt und ist dann dahinter gekommen, dass Herr Madlener aus Kempten auch Ski fährt“, sagt sie. 

Nebelhorn-Erstbegehung mit Skiern
Dem Bild von der ersten dokumentierten Skitour gingen noch drei bis vier andere Touren voraus. Heimhuber und Madlener sind irgendwann in Kontakt getreten und haben sich zu einer Erstbegehung mit Skiern ans Nebelhorn im Winter verabredet. Die Zwei planten das Unterfangen wie eine Expedition. „Sie haben wochenlang Briefe hin- und hergeschrieben, was sie jetzt mitnehmen und wann sie gehen. Das Problem war ja, dass es noch keine Lawinenkunde gab. Sie haben sehr lange überlegt.“ Schließlich kam der große Tag 1901 und sie hatten keine Fotoausrüstung dabei. Für die beiden Allgäuer Skipioniere stand die Erstbegehung des Nebelhorns im Winter im Vordergrund. Lena Heimhuber erzählt: „Sie sind mit dem Zug nach Oberstdorf gefahren. Dort wurden sie von den anderen Passagieren belächelt. Dann sind die beiden aufs Nebelhorn mit ihren selbst gebauten Skiern gelaufen. Sie gingen nachts, um der Lawinengefahr zu entgehen, Denn der Schnee war fester. Damals liefen sie noch in Spitzkehren ganz langsam bergauf. Das dauerte etwa fünf bis sechs Stunden.“

Oben erwartete sie dann eine böse Überraschung. „Sie fanden den Schlüssel vom Edmund-Probst-Haus nicht und sind dort eingebrochen. Sie hatten ihren Proviant ausgepackt und haben ihre Erstbegehung gefeiert. Am nächsten Morgen eröffnete sich dieser traumhafte Blick über die Allgäuer Alpen. Es muss ein wunderschöner Wintertag gewesen sein und Heimhuber und Madlener waren die ersten, die im Winter dort oben mit ihren Skiern standen. Das muss man sich mal vorstellen. Was ganz Besonderes. Die beiden waren total beglückt,“ erinnert sich Lena Heimhuber an Erzählungen.

„Am nächsten Morgen sind sie wieder abgestiegen. Denn sie konnten ja nicht wirklich fahren. Die Spitzkehren wieder runter, aber ganz langsam. Weil es keine Skifahrtechnik gab. Das war immer die gleiche Spur runter wie hoch. Im Zug sind sie wohl eingeschlafen, weil sie so fertig waren“, sagt Heimhuber.

Diese Skitour kann man als Anbeginn des Skisports im Allgäu bezeichnen. Ab diesem Zeitpunkt verbreitete sich der Skisport rasend schnell. Die Heimhubers haben angefangen Skier zu bauen. Sie nannten die Werkstatt „Skihäusl“. Lena Heimhuber erzählt: „Doktor Max Müller hat eine Skibindung erfunden. Meine Vorfahren haben mit ihm zusammengearbeitet und dann konnte man Skier auf Maß bestellen. Das hat bei den Leuten wahnsinnig schnell Anklang gefunden.“

Die erste Skitour mit 20 Kilogramm schwerer Fotoausrüstung
Nach ein paar Skitouren, bei der sie etwas Routine gewonnen hatten, kam der große Tag von der ersten Skitour zum Himmeleck. Das war das erste Mal, dass die Heimhubers ein Foto auf einer Skitour gemacht haben und haben sie so für die Nachwelt festgehalten. Die Ausrüstung dafür war enorm schwer: „Allein die Holzski wogen schon gute fünf Kilogramm und das sind nicht mal die ganz Alten. Die Kameraausrüstung inklusive der Holzboxen für die Glasplatten wogen 15 bis 20 Kilogramm. Das war ja schon eine reife Leistung, das alles mit hoch zu transportieren. Oben hatte man dann nur fünf Glasplatten dabei. Das heißt: Man hat nicht viel Versuche. Es muss perfekt sein. Da war ein enormes künstlerisches und fotografisches Auge gefragt.“

Leidenschaftliche Alpinisten und Fotografen – das größte Bergbildarchiv der Welt
Die Heimhubers hatten großes Glück, dass ihre Vorfahren nicht nicht nur leidenschaftliche Fotografen sondern auch gute Alpinisten waren. Und nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter viel mit der Kamera in die Berge gegangen sind. „Sie waren die ersten, die diese Landschaftsaufnahmen im Winter gemacht haben: hoch oben in den Allgäuer Alpen. Die Leute hatten damals keine Kameras und sind auch nicht so in die Berge. Später haben Fritz und Eugen auch das Klettern angefangen und waren mit Louis Trenker und Anderl Heckmair unterwegs. Eugen war dann auch Bergführer. Diese Kombination aus Alpinismus und Fotografie war einzigartig im Allgäu. Das war ein großes Glück, dass Fritz und Eugen senior Heimhuber beide so sportlich waren“, sagt Lena Heimhuber. Von dieser Leidenschaft profitiert die Familie heute noch. „Bis vor etwa sieben Jahren war unsere Haupteinnahmequelle noch der Kameraverkauf. Mittlerweile verkaufen wir hauptsächlich diese Archivaufnahmen und das in viele Länder. Wir haben hier mit das größte Bergbildarchiv der Welt. Das haben wir unseren Vorfahren zu verdanken und dem riesigen Glück, dass im Krieg nichts zerstört wurde. So können wir die wunderschönen, historischen Fotografien mit der ganzen Welt teilen“, sagt sie und trägt das Bild von der ersten Begehung des Himmelecks wieder ins Archiv.